Over the Top

Mit dem Eldorado Brougham trat Cadillac gegen den Rest der Autoindustrie an
Ford versuchte 1956 General Motors die Spitzenreiter-Postion in der Luxusklasse streitig zu machen, indem man den Mark II unter der eigens gegründeten Nobelmarke Continental auf die Cadillac-Division ansetzte. Das liess GM sich nicht bieten und schlug 1957 mit dem Eldorado Brougham zurück. Das koste-es-was-es-wolle-Projekt war von vornherein nicht auf Profit ausgelegt, sondern darauf, Kunden und Konkurrenz zu zeigen, was machbar ist. 1957 wurden nur 400 Stück der ultimativen Cadillac Limousine gebaut – RM Sotheby’s versteigerte 2020 eine davon.
Während der 1950er Jahre war General Motors die Nummer 1 in der Autoindustrie, nicht nur in den USA, sondern weltweit. Das galt auch für Luxusmodelle: Cadillac verkaufte Jahr für Jahr ungefähr dreimal so viele Straßenkreuzer wie Lincoln. Der Continental Mark II sollte die Hackordnung am oberen Ende des Marktes umkrempeln. Schon 1952 begann Ford mit der Entwicklung des Mark II, der sogar einen Rolls Royce Silver Cloud in allen Belangen – auch in Sachen Prestige – übertrumpfen sollte. Geld spielte auch bei diesem Vorhaben keine Rolle. Mit Verlusten wurde gerechnet, wenn man nur die Öffentlichkeit davon überzeugen konnte, dass die Krone des Automobilbaus aus dem Hause Ford stammte.

Prototyp des Eldorado Brougham
Bei GM bekam man bald von diesen Plänen Wind und setzte zum Konter an: auch wenn man nie damit rechnete, dass der Eldorado Brougham seine Kosten würde einspielen können, entschied Harley Earl, der Chefdesigner und Vice President im Konzern war, dass eine Limousine bei Kunden, die wirklich Geld in der Tasche hatten, am besten ankommen würde. 1955 präsentierte General Motors auf seinen Motorama Shows einen fahrbereiten Prototypen des Eldorado Brougham, der Merkmale früherer Motorama-Dreamcars in sich vereinte und dem späteren Serienmodell bereits recht nahe kam.
Das Karosserielayout entsprach dem „Orleans“ Show Car von 1953, das seinerzeit die erste viertürige Hardtop Limousine war und Portaltüren aufwies. Die Idee des Dachs aus blankem Metall wurde von der 1954 gezeigten Studie „Park Avenue“ übernommen. Doppelscheinwerfer und Heckflossen sind von einem ebenfalls auf den 1954er Motorama Shows präsentierten Coupe Namens „El Camino“ (kein Bezug zum bekannten Pick Up Coupe) und und einem „La Espada“ getauften Roadster inspiriert.
Bis der Eldorado Brougham serienreif war, hatte Ford das Ende des Mark II längst beschlossen: ein Monat nachdem im April 1957 mit der Auslieferung des Top-Caddy in größeren Stückzahlen begonnen wurde, endete die Produktion des Continental. Während Ford versucht hatte seinen Imageträger imposant aber zurückhaltend und selbständig zu gestalten, setzte GM eher auf ein effektvolles Äußeres: neben dem gebürsteten Edelstahldach sorgten Doppelscheinwerfer an der Front, breite Chromblenden an den Schwellern sowie ab der Mitte der hinteren Türen für reichlich Aufsehen. Insgesamt war die Familienähnlichkeit zur übrigen Cadillac-Palette deutlich, erst bei genauem Hinsehen wurde erkennbar, dass es sich um einen in Serie gebauten Custom handelte.‘
So waren etwa die Kotflügel mit dem Rest der Karosserie verschweißt und die Nähte verzinnt, 44 Farb- und Innenausstatungs-Kombinationen waren standardmäßig im Angebot, Sonderwünsche wurden ebenfalls erfüllt. Was Kunden und Fachpresse richtig ins Staunen brachte, war die Vielzahl an technischen Kabinettstückchen: Da waren zunächst die

Doppelscheinwerfer, die 1957 noch nicht in allen Bundesstaaten erlaubt waren und eine deutlich verbesserte Lichtausbeute im Fernlichtbetrieb boten. Außerdem war der Eldorado Brougham mit einer weiteren Neuheit in Form einer Vierrad-Luftfederung mit Niveauregulierung und elektrisch verstellbaren Sitzen mit Memoryfunktion ausgerüstet. Hinzu kam ein Kofferraumdeckel, der sich mittels Tasten in Handschuhfach öffnen und wieder schließen ließ.
Dafür, dass sich der für die hinteren Türen gängige Spitzname „Suicide Doors“, nicht als zutreffend erweisen konnte, sorgte eine ausgeklügelte Schaltung: während der Fahrt waren die nach hinten öffnenden Einstiege verriegelt, auch konnte keine Fahrstufe eingelegt werden, solange eine der hinteren Türen offen stand. Um das Triebwerk des Eldorado Brougham anzulassen, genügte es den Zündschlüssel in die Stellung „On“ zu bringen, ohne den Schlüssel wie üblich in der Position „Start“ halten zu müssen. Der Antriebsstrang selbst entsprach den übrigen Eldorado-Modellen, seine Komponenten zählen damit zu den wenigen Teilen, die mit anderen Cadillac-Modellen austauschbar sind.
Die aufwendige Fertigung und die zahlreichen Technik-Tricks, die um eine lange Liste von Merkmalen ergänzt wurde, die auch in andrene Cadillac-Modellen lieferbar waren, hatten ihren Preis: 13.074 Dollar kostete der Eldorado Brougham, über 7.500 Dollar mehr als eine Fleetwood Sixty Special Limousine und nur etwa ein Tausender weniger als ein zeitgenössischer Rolls Royce Silver Cloud. Die exklusive Natur des Eldorado Brougham macht insbesondere die Teilsuche langwierig und nervenaufreibend, Interessenten sind daher besser beraten ein Exemplar in gutem Zustand zu suchen anstatt sich in ein das Abenteuer einer Restaurierung zu stürzen.

Eine der 400 im Modelljahr 1957 gebauten Eldorado Brougham Limousinen versteigerte RM Sotheby’s im März 2020. Die Nobel Limousine wurde kürzlich in der urpsrünglichen Farbe neu lackiert, während der Innenraum im Originalzustand erhalten ist. Die Brougham-spezifischen Chromteile sind komplett und präsentieren sich in strahlendem Glanz. Der Caddy kam vor nicht allzu langer Zeit in den Genuss einer Motor-Revision, während der Ersatz der Luftfederung durch durch konventionelle Federn schon eine Weile zurücklag: das System hatte sich als so unzuverlässig erwiesen, dass Cadillac bald ein Umrüstkit anbot. Dem Höchstbietenden war der Super-Caddy inklusive Auktionsgebühren 104.500 Dollar wert.
Text: Frank Mundus
Fotos: Rasy Ran ©2020 Courtesy of RM Auctions
1957er Cadillac Eldorado Brougham
Motor: OHV-V8, 365 ci, 5.981 ccm, 325 PS bei 4.800 U/min, 542 Nm bei 3.300 U/min, Bohrung x Hub in mm: 101,6 x 92,2, Verdichtung 10:1, 2x Carter Vierfachvergaser
Kraftübertragung: „Hydra-Matic“ Viergang-Automatikgetriebe, Hinterradantrieb, Achsübersetzung 3,36:1
Vorderachse: Einzelradaufhängung an oberen und unteren Querlenkern, Schraubenfedern (Luftfederbälge im Auslieferungszustand), Teleskopstoßdämper
Hinterachse: Starrachse an Mehrlenkeraufhängung, Schraubenfedern (Luftfederbälge im Auslieferungszustand), Teleskopstoßdämper
Bremsen: Hydraulisch betätigte Trommelbremsen rundum
Räder: 15″-Kelsey Hayes-Verbundräder mit Leichtmetallstern und Stahlfelge
Reifen: Weißwand-Diegonalreifen in H78 – 15
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