Wonder Wagon: Der 1959er Pontiac Bonneville Safari
1958 erlebte die Weltwirtschaft eine Rezession, die erste nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Vor allem Amerika hatte mit dem wirtschaftlichen Abschwung zu kämpfen – und es gab zwei wesentliche Auswirkungen auf die amerikanische Automobil-Industrie …
History
Zuerst sorgte die Rezession für dramatisch niedrige Verkaufszahlen im mittleren Preissegment bei Marken wie Buick, DeSoto, Mercury, Pontiac und der gerade erst gegründeten Marke Edsel, die zwischen Mercury und Lincoln positioniert war, und schließlich sicherlich auch dank dem schlechten Starttermin zwei Jahre später zu ihrem Untergang führte.
Der zweite Effekt dieser Rezession war die stetig steigende Nachfrage nach Kleinwagen wie denen aus Europa – zum Beispiel von Volkswagen. Die Amerikaner hatten damals (noch) keine solchen Compact Cars im Angebot. Erst im 1960er Modelljahr mischten die US-Marken mit: AMC Rambler, Chevrolet Corvair, Ford Falcon und Plymouth Valiant kamen auf den Markt…
Doch die amerikanische Wirtschaft erholte sich erstaunlich. Der Konjunktur-Abschwung war Ende des Jahre nahezu überwunden – dank der amerikanischen Banken mit billigen Krediten und der finanziellen Wirtschaftsförderung von Uncle Sam aber vor allem dank der Konsumenten, die ungeachtet der gestiegenen Preise mehr Waren als je zuvor kauften.
Und so konnte Pontiac nach dem schlechten Verkauf im 1958er Modelljahr im Folgejahr den Gesamtumsatz von 216.982 auf 382.940 Fahrzeuge steigern! Das reichte für Platz fünf auf der Liste der amerikanischen Autobauer. An der Spitze der Pontiac-Palette stand die luxuriöse Bonneville-Serie, die 82.564 Exemplare verkaufte – davon 27.769 zweitürige Hardtops, 36.696 viertürige Hardtops, 11.426 zweitürige Cabriolets und 4.673 Sechs-Personen-Kombis, die den Namenszusatz Safari bekamen. Mit einem Radstand von 122 Zoll (ca. 310 cm) war der 1959er Bonneville Safari einer der größten und luxuriösesten Station Wagons in den USA. Mit der typischen Pontiac breiteren Spurweite fuhren die Bonneville Safari-Modelle bequem durch die Suburbs und waren gut als Statussymbol während Amerika‘s Nachkriegs-Baby Boom geeignet.
Vom Chevrolet Bel Air zum Pontiac Bonneville Safari
Die auf diesen Seiten abgebildete „Land Yacht“ ist der geschätzte Besitz von Carmi Standish aus Long Beach, Kalifornien. Die Amerikanerin interessiert sich schon seit Mitte der 1980er Jahre für amerikanische Autos: „Ein Freund von mir wollte einen 1955er Chevy restaurieren“, berichtet Carmi. „Er schlug vor, dass ich mir ebenfalls ein solches Auto kaufen sollte, doch das einzige was ich selbst machen konnte, war das Motoröl wechseln…“
Carmi‘s Freund fand schließlich einen 1956er Chevrolet Bel Air für sie: „Ich lebte damals in Cerritos und ich hatte keinen Platz, daran zu arbeiten“. Doch er ließ nicht locker und die beiden schauten sich den Bel Air in Hawthorne, Kalifornien an: „Ich fand ihn auf den ersten Blick hässlich“, erinnert sich die Amerikanerin. „Der Lack fehlte, das Innere war vermüllt, der Motor war auch nicht drin. Und da lag dieses lange Ding auf dem Rücksitz“, erklärt Carmi: „‘Was ist das‘, fragte ich meinen Freund. Er nannte mich einen Idioten und erklärte mir, dass das die Kardanwelle war. Doch an diesem Punkt realisierte er, dass ich wirklich nichts über Autos wusste.“
Doch wie Frauen so sind, sie tun oft das Gegenteil was man erwartet: Carmi kaufte der 1956er Bel Air und beide brachten ihn zu dem Haus des Freundes in Bellflower, CA. „Als das Auto dort angekommen war, kaufte ich mehrere Werkstatt-Handbücher, trat dem örtlichen Chevrolet Club bei und begann Fragen zu stellen. Ich schrieb eine Art Tagebuch, wie lange ich am Auto gearbeitet habe und machte Bilder von allem, was ich aus der Auto ausbaute. Ich hatte zwar das Auto lackieren lassen und das Interieur von jemand anderem machen lassen aber alles andere habe ich restauriert,“ erzählt Carmi stolz. Nach nur zwei Jahren war das Auto fertig. „Ich war infiziert und konnte es kaum erwarten, noch einen Oldtimer zu haben, aber nicht zum Restaurieren – zum Fahren!
Carmi war mit diversen amerikanischen Autos aufgewachsen, aber einen Kombi hatte ihre Familie nie besessen. „Ich hatte Freunde, die Kombis in der Familie hatten, und wir hatten auf der dritten Sitzbank rückwärts fahrend immer viel Spaß“, bericht die heute 40-Jährige.
Während eines Besuch bei einem Freund in Yucaipa in der Nähe von San Bernardino, CA, schaute sich sich dessen Fahrzeugsammlung an. Als das Garagentor auffuhr stand da dieser 1959er Pontiac Bonneville Safari Station Wagon! „Es traf mich einfach und ich konnte meine Augen nicht vom Auto lassen“, erinnert sich Carmi. „Das Witzige war, ich fragte ihn, ob er den Station nicht verkaufen wollte, wenn ja, soll er mich zu erst anrufen – ich wusste nicht, dass er den Pontiac bereits ‚for sale‘ angeboten hatte. Ein paar Tage später rief er an, und wir haben den Deal gemacht.“
Seit dem Kauf hat die Amerikanerin nur ein paar Kleinigkeiten an dem Station Wagon gemacht. „Die vorderen und hinteren Stoßfänger sind neu verchromt und der Wagen bekam einen neuen Lack in der Farbe ‚Sunset Coral‘.“ Carmis Bonneville Safari wird von Pontiacs berühmten 389 ci V8 angetrieben. Die Vierstufen-“Hydramatic“-Automatik kümmert sich um die Kraftübertragung.
Pontiac Bonneville Safari „Window-Sticker“
Das vorhandene „Window-Sticker“ genannte Preisschild zeigt, dass auf den Grundpreis von 3.532 Dollar noch folgende Optionen kamen: Die Wonder Touch Servolenkung (107,50 $); elektrische Antenne (30 $); Wonder Touch Bremskraftverstärker (43 $); Doppel-Rohr-Auspuffanlage (31,20 $); elektrische Safari Heckklappe (32,20 $); elektrische Fensterheber (107,50 $); Deluxe Spinner Radkappen (16,45 $) und Two-Tone Lackierung (12,85 $) resultierten in einen Lieferpreises von 4.104,70 $.
Auf die Frage, was wohl die stärkste Eigenschaften ihres Autos sind, sagt sie das es wohl eine Kombination des einzigartigen „Wide Track“-Looks, der klassische Style der Instrumente und das immense Platzangebot. „Oldtimer nehmen dich zurück in eine Ära, aus der sie kommen – in eine Zeit, in der man keine Sorgen oder Verpflichtungen hatte“, meint Carmi. „Das Vintage-Kofferset, der Getränkekühler oder der Picknick-Korb mit der passenden Thermoskanne bringen auch bei dem ein oder anderen Menschen bestimmten Erinnerungen hervor und zaubern ihnen ein Lächeln ins Gesicht“.
Zeitlose Klassiker
Carmi ist – zusammen mit ihrem Partner – nicht nur ziemlich aktiv in der Auto-Club-Szene in Südkalifornien, auch im nationalen Club „Great Autos of Yesteryear“, der seit über 20 Jahren besteht und rund 1.000 Mitglieder mit über 3.200 Fahrzeugen hat. Denn die Amerikanerin ist sich sicher: „Neuere Autos kommen und gehen, aber die Klassiker werden noch lange bleiben.“
Text: Rich Truesdell, Thomas Frankenstein
Fotos: Rich Truesdell
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