Step by Step: 1965er Chevrolet C10 Stepside Custom
Klassischer Chevy Pickup: Lustvoll Laden leicht gemacht
„Alles unter fünf Litern ist ein Softdrink!“ – US-Car-Fahrer verstehen sofort, was Andreas meint. Nur gut, dass sein 1965er Chevrolet C10 da nicht mehr den Originalmotor unter der Haube hat…
Andreas, in der Szene auch als „Dixson“ unterwegs, wusste schon von Kindesbeinen an, wo der Ratschensatz hängt: „Begründet wurde meine Liebe zum alten Blech durch meinen Vater, der als Automechaniker arbeitet. Daher konnte ich schon als kleiner Steppke mit an Autos rumschrauben. Damals waren es eher Ostwagen wie Trabant, Lada, Wartburg und so weiter.“ In ihrer Komplexität nicht übertriebene Technik fand sich aber auch jenseits des Eisernen Vorhangs am westlichen Ufer des großen Teichs. Jene, untergebracht in attraktivem Detroit Iron, war denn auch ein Fall für den Bautechniker, aber keineswegs in Gestalt einer chromstrotzenden Wuchtbrumme mit Heckflossen.
Knackige Form
„Ich hatte mich 2010 bei einem Händler im Speckgürtel Berlins sofort in die knackige Form des Chevy verschossen, womit feststand, dass es exakt dieser Pickup sein musste. Pickups sind beim ‚American Way of Drive‘ genauso unverzichtbar wie Muscle Cars, und daher wollte ich auch einen Pickup haben. Denn die sehen nicht nur gut aus, sondern haben einen funktionalen Nutzen. Gut, ich kutschiere mit meinem C10 jetzt keine schweren Frachten durch die Gegend, aber auf etlichen Treffen wird die Ladefläche gern genutzt“, erzählt Andreas.
Kein Wunder, auf 127 Zentimeter breitem und 198 Zentimeter langem Edelholz lässt sich der halbe Freundeskreis gerne mal zur Futtermeile chauffieren. Gut 1.130 Liter Fassungsvermögen bis zur Oberkante der Seitenwände zeichnet dieses kürzeste der drei für die leichten 1965er Chevrolet Pickups verfügbaren Ladebetten aus. Neben der klassischen Form mit abgesetzten Kotflügeln – bei Chevrolet und nur dort als „Stepside“ bezeichnet – war seit den späten 1950ern eine zweite Ausführung des Ladebetts unaufhaltsam auf dem Siegeszug: das Fleetside-Ladebett mit außen bündig integrierten Kotflügeln, das von der Konkurrenz ebenfalls grundsätzlich anders benannt wurde.
Mehr Komfort genossen in diesen von 1960 bis 1967 gefertigten Nutzfahrzeugen nicht nur die Fahrgäste auf der Ladefläche – auch dem Fahrer kam das vergleichsweise moderne Chassis der leichten Chevrolet-Trucks C10 und C20 zugute. Denn im Gegensatz zu ihren Vorgängern und auch ihren gegenwärtigen Mitbewerbern von Ford und Dodge wurde die hintere Starrachse nicht an halbelliptischen Blatt-, sondern von Längslenkern und Schraubenfedern geführt. Und vorn gab es nicht etwa eine Starrachse oder eine „Twin I-Beam“-Konstruktion, wie sie von Ford verwendet wurde und die dem starren Pendant recht ähnlich war. Vielmehr fand wie bei Personenwagen eine Einzelradaufhängung mit Dreieckslenkern Verwendung – bis 1963 sogar mit Drehstäben, später analog zur Hinterachse mit Schraubenfedern. Allerdings ausschließlich bei den Heckschleudern: Die Allrad-Versionen der Big Three walkten ihre Insassen sämtlich mit blattgefederten Starrachsen vorn wie hinten gehörig durch.
Leistungsträger: Der 965er Chevrolet C10 Stepside Custom
An einem schleudernden Heck des C10 Stepside hat auch Andreas seine Freude – mit dem frisch transplantierten 350-ci-V8, der um die 300 PS an das Dreigang-Schaltgetriebe sendet, lässt sich ein solches leicht herbeiführen. „Die Leistung ist schon herausragend. Zusammen mit der unbelasteten Ladefläche schiebt er deshalb auch ganz schön über die Hinterachse. Wir werden im kommenden Winter aus Gründen der Sicherheit allerdings noch Scheibenbremsen, Servolenkung und ein strafferes Fahrwerk nachrüsten. Aber erstmal wird die Saison so gefahren.“ Ab Werk war im C10 des Modelljahres 1965 anstelle der jetzigen 350 ci schon bei 292 ci Schicht im Schacht, und dann war das damalige Hubraum-Maximum auch noch ein Reihensechser.
Trotz des Spaßzuwachses im Vorderwagen setzt Andreas den Bowtie nur gelegentlich ein: „Ich lege mit dem C10 im Jahr keine 2000 Kilometer zurück, vornehmlich geht‘s zu den Treffen von ‚Mopars and Coffee‘ und den US Car Freunden Berlin in der näheren Umgebung.“ In beiden IGs genießt der Chevy die ihm zustehende Wertschätzung – angesichts des Äußeren wie des Inneren. Unter Arizonas Sonne hatte nicht nur die optionale Custom-Ausstattung, die beispielsweise Armlehnen, ein dickeres Sitzpolster, Stoffvinyl-Bezüge und zwei Türschlösser beinhaltete, gelitten – auch vermutlich ein Revolver setzte dem Stepside zu: Vor der Restauration wies der Pickup sechs nicht weiter nachvollziehbare Einschusslöcher auf.
Die sind genauso wie jeglicher Anflug von Gilb oder angeblicher Patina längst verarztet, sodass seine graue Eminenz nun aus jeder Ecke strahlt. „Da ich beruflich häufig auf Reisen bin, habe ich die meisten Sachen in Auftrag gegeben. Hierbei wurde so gut wie jede Schraube ausgetauscht. Darüber hinaus wurden die Ladefläche, der Motor, die Beleuchtungsanlage und die Reifen vollständig erneuert. Insgesamt hat die Restauration gut anderthalb Jahre in Anspruch genommen. Was Arbeitsstunden und Geld angeht – Schwamm drüber!“ Fast wäre die ganze Arbeit übrigens in Rauch aufgegangen, wie Andreas schaudernd zurückdenkt: „Bei voller Fahrt stand auf einmal der Anlasser in Flammen, infolgedessen fast das ganze Auto abgebrannt wäre. Seither habe ich grundsätzlich einen Feuerlöscher an Bord.“ Recht so. Auch wenn der Minimax mit zwo Litern nur als Softdrink durchgeht.
Text & Fotos: Arild Eichbaum
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