1967er Cadillac Series 75 Fleetwood Limousine

Fleetwood

American Gothic
1967er Cadillac Series 75 Fleetwood Limousine

Wuchtig, würdevoll… und ein wenig gruselig: 1967er Cadillac Series 75

1967er Cadillac Series 75
Die gewaltige schwarze Limousine wirkt in jedem Fall respekteinflößend, in entsprechender Umgebung auch etwas unheimlich…

Nicht zufällig feiern die Amerikaner Ende Oktober das Halloween-Fest, denn nie gruselt es sich schöner als im Herbst: Wenn in der frühen Dämmerung zwischen kahlen Bäumen Nebelschwaden über den Boden kriechen, dann kann einem schon mal ein Schauer den Rücken hinunterlaufen. Rollt einem in der Halloween-Nacht zudem eine mysteriöse schwarze Limousine über den Weg, so wird sich mancher Kirchgänger spontan bekreuzigen, während der Agnostiker vorsichtshalber in Deckung geht. Und sei es hinter dem nächsten Grabstein. Die hier gezeigte Cadillac-Limousine wirkt wegen ihres Designs und der schieren Größe besonders respekteinflößend.

Gangster und Geheimdienste setzten früher gern dunkel lackierte Limousinen für ihre Zwecke ein. In der Sowjetunion ließ der KGB gegnerische Agenten mit Hilfe spezieller Achtzylinder-Wolgas verschwinden, die argentinische Geheimpolizei machte mit Ford Falcons Jagd auf politische Widersacher, und in der Tschechoslowakei ging man schwarzen Tatras besser aus dem Weg. Limousinen von Cadillac und Lincoln waren dagegen eher der Stil des Mobs, egal ob in New York, Chicago oder Las Vegas. Damit wollen wir keineswegs andeuten, dass nur Kriminelle Luxuslimousinen in dunklen Farben fahren, gerade die Chauffeurlimousinen mit langem Radstand erfreuen sich auch bei Politikern und Wirtschaftsmagnaten großer Beliebtheit. Böse Zungen mögen behaupten, dass die Grenzen zwischen den Nutzerkreisen durchaus als fließend anzusehen seien – auf dieses herbstliche Glatteis begeben wir uns lieber nicht.

Cadillac Series 75 Fleetwood
Die schmale Heckscheibe schützt vor neugierigen Blicken. Optional war ein „Landau“-Dach erhältlich, bei dem die hinteren Seitenfenster entfielen. Den goldenen Adler ließ der vermögende Vorbesitzer als persönliches Erkennungsmerkmal auf der Motorhaube anbringen.

Tatsächlich waren viele der großen Cadillac-Viertürer der Series 75 echte Arbeitstiere, die bei Chauffeurdiensten Verwendung fanden und etwa als Flughafen-Shuttle für Topmanager gebucht wurden. Die Series-75-Modelle waren 1967 Teil der Fleetwood-Linie und überragten den mit 5,77 m Gesamtlänge nicht gerade mickrigen Fleetwood Sixty Special um 44 Zentimeter. Der zusätzliche Raum kam voll und ganz den Fondpassagieren zugute, die in dem großzügigen Abteil bequem die Beine ausstrecken konnten. Etwas enger ging es zu, wenn die mittlere Sitzreihe in Form von Notsitzen aufgeklappt wurde; dafür standen dann Sitzgelegenheiten für neun Personen zur Verfügung.

Bei voller Besetzung und mit bis zu zulässigen 500 Pfund Gepäck hatte der Series 75 einiges zu schleppen, sodass die bei allen Fleetwoods serienmäßige pneumatische Niveauregulierung hier besonders willkommene Dienste leistete. Zum Serienumfang der Series-75-Modelle gehörte eine Zweizonen-Klimaautomatik, die eine getrennte Temperaturregelung vorn und hinten erlaubte. Besonders sinnvoll war dieses – in anderen Cadillacs nicht erhältliche – Feature in der Series 75 Limousine, die sich vom Series 75 Sedan durch eine Trennscheibe zwischen Fahrer- und Passagierabteil auszeichnete.

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Fleetwood
Vorn, wo der Chauffeur saß, war die Sitzbank mit robustem Leder bezogen. Gegenüber dem Sixty Special ist der Series 75 um 44 cm länger, sodass auf der mit feinem Stoff bezogenen Rückbank Wohnzimmeratmosphäre herrscht. Vor der Trennwand werden die einklappbaren Notsitze verstaut, mit deren Hilfe die Kapazität bis auf neun Personen erhöht werden kann.

Die meistgebaute Variante der Series 75 war im Modelljahr 1967 jedoch das „Commercial Chassis“. Hierbei handelte es sich um einen verlängerten und verstärkten Rahmen, der mit Antriebsstrang, Fahrwerk und Bremsen angeboten wurde. Bei der Auslieferung war der Vorderwagen bis zu den Kotflügeln und der Motorhaube montiert, auch das Lenkrad war bereits vorhanden. Den Rest überließ man den Herstellern von Spezialaufbauten, welche die Cadillac-Bodengruppen dann vor allem zu Ambulanzen und Bestattungsfahrzeugen komplettierten. Mancher Funeral Director, wie der Boss eines Beerdigungsinstituts in den USA genannt wird, schaffte den Cadillac Series 75 direkt im Doppelpaket an: zum einen in Form eines repräsentativen Bestattungsfahrzeugs mit Aufbau von Traditionsunternehmen wie Hess & Eisenhardt, S & S oder Miller-Meteor und zum anderen in Form eines serienmäßigen Series 75 Sedan. Letzterer diente vorwiegend dazu, Trauernde vom Funeral Home zur Grabstelle auf den weitläufigen US-Friedhöfen zu chauffieren.

Die 1967er Series 75 Limousine passt nahtlos in die Friedhofskulisse: Die spitz zulaufenden Kotflügel erinnern an das Portal einer gotischen Kathedrale, während die monumentale Motorhaube den Gruften alter (Geld-)Adelsgeschlechter ähnelt. Deswegen wählte wohl auch das Auktionshaus RM Sotheby’s einen Gottesacker als Location, als es darum ging, diese Series 75 Limousine in Szene zu setzten. Und das, obwohl zum Zeitpunkt der Auktion im März 2020 Halloween noch eine ganze Weile in der Zukunft lag und es sich außerdem um ein Privatfahrzeug handelte.

Series 75 Limousine
Vom Eldorado bis zur Series 75 Limousine wurden 1967 in allen Cadillac-Modellen 429-ci-Triebwerke mit 340 PS verwendet.

Die Limousine mit Trennscheibe gehörte bis 2020 der Familie des kanadischen Geschäftsmannes George Montegu Black II, der einen goldenen Adler als Kühlerfigur montieren ließ. Der in der Brauerei-Industrie tätige Unternehmer war offensichtlich bestens vernetzt, sodass unter anderem Prinz Philip und Richard Nixon zu den Fahrgästen in der imposanten Limousine gehörten. Diese hatte lediglich rund 15.000 Meilen zurückgelegt und eine gründliche Techniksanierung erhalten, bevor sie bei der RM-Sotheby’s-Auktion auf Amelia Island unter den Hammer kam. Der Zuschlagspreis plus Aufgeld lag bei 42.000 Dollar.

Der Artikel erschien zum ersten mal in der Printausgabe 12/2020 der CHROM & FLAMMEN.

Text: Frank Mundus
Fotos: Darin Schnabel, Courtesy of RM Sotheby’s

1967er Cadillac Series 75 Fleetwood Limousine

1967er Cadillac Series 75 Fleetwood Limousine
Wuchtig, würdevoll… und ein wenig gruselig: 1967er Cadillac Series 75

Motor: OHV-V8, 429 ci, 7.030 ccm, 340 PS bei 4.600 U/min, 651 Nm bei 3.000 U/min; Bohrung x Hub in mm: 104,9 x 101,6; Verdichtung 10,5:1; Carter-Vierfachvergaser
Kraftübertragung: Dreigang-Automatikgetriebe TH400, Hinterradantrieb, Achsübersetzung 3,21:1
Vorderachse: Einzelradaufhängung an oberen und unteren Querlenkern, Schraubenfedern, Teleskopstoßdämpfer, Querstabilisator
Hinterachse: Starrachse an Vierlenker-Aufhängung, Schraubenfedern, Teleskopstoßdämpfer, pneumatische Niveauregulierung
Bremsen: Hydraulisches Zweikreis-Bremssystem mit Trommelbremsen rundum
Räder: 15″-Stahlräder mit Radkappen
Reifen: Diagonal-Weißwandreifen in 8,2 x 15 (Werksangabe)

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