Canonsburg Rocket // 1969er Chevrolet Camaro Yenko / SC
Legendärer High Performance F-Body
Ab Werk gab es den Camaro während der ersten Modelljahre maximal mit einem 396-ci-V8, der 375 PS leistete. Wem das nicht reichte, der konnte bei einer ganzen Reihe von Chevrolet-Händlern ein noch größeres und leistungsstärkeres Aggregat einbauen lassen. Die wohl berühmteste „Performance Dealership“ war Yenko Chevrolet. 1969 bewegte Don Yenko den mächtigen GM-Konzern mit einem Trick sogar dazu, 427-ci-Camaros am Fließband zu bauen. Als Christian Nadler zum ersten Mal von den Super Cars aus Canonsburg, PA, hörte, war er sofort begeistert. Inzwischen gehört ihm einer der raren Yenko Camaros.
Yenko History
Mehr als 400 ci Hubraum war für Intermediates verboten. Diese Vorschrift hatte das GM-Topmanagement 1965 für alle Divisionen des Konzerns erlassen und erhielt sie bis zum Modelljahr 1970 aufrecht. Einzig der Corvette wurde eine Ausnahme gewährt: Für Amerikas Sportwagen Nr. 1 waren ab 1966 ein 427-ci-Triebwerke lieferbar. Auch als der sportliche Camaro herauskam, hielt General Motors an der Regelung fest. Somit war für die Camaro-Modelle beim 375-PS-/396-ci-L78-Triebwerk Schluss. Nicht gerade mickrig für rund 1.400 kg Leergewicht.
Aber da ging noch mehr, schließlich gab es für die Full-Size-Cars und die Corvette ja Maschinen mit 427 ci und bis zu 435 PS. Quer durch die gesamten Vereinigten Staaten verstreute Chevrolet Performance Dealerships tauschten reihenweise Camaro-Motoren aus: Zu den bis heute bekanntesten zählen Dana Chevrolet in Los Angeles, Fred Gibb im ländlichen Illinois, Nickey in Chicago, Berger in Grand Rapids, Motion Performance außerhalb von New York City und Scuncio in Rhode Island. Der King unter den Bowtie-Tunern war aber Don Yenko, der auch als „Carroll Shelby der Chevy-Szene“ bezeichnet wurde.
Yenko war ein echter Tausendsassa: Er besaß einen IQ von 140, konnte virtuos mit dem Jazz-Piano umgehen, lernte im Alter von 14 Jahren Fliegen, ging nach dem High-School-Abschluss zur Airforce und ließ sich als Meteorologe ausbilden. Anschließend studierte er an der Penn State University Business Administration und stieg schließlich ins Geschäft seines Vaters ein, der in Canonsburg, einige Meilen außerhalb von Pittsburgh, einen Chevrolet-Handel betrieb. Bei Sportwagenrennen war Don Yenko mit Corvettes recht erfolgreich, daher richtete er eine kleine Abteilung ein, die sich dem Tuning von Corvettes widmete und die er „Yenko Sports Cars“ taufte.
1965 legte er eine Kleinserie von 100 frisierten Corvairs auf, die als Homologationsmodelle für SCCA-Rennen dienten und die er auf den Namen „Yenko Stinger“ taufte. Um sich die Arbeit zu erleichtern, benutzte Yenko clevererweise das Central Office Production Order (COPO) System von Chevrolet. Dabei handelte es sich um eine Möglichkeit für Chevrolet-Händler, um Sonderbestellungen für Flottenfahrzeuge im Werk aufzugeben. Gedacht war das COPO-Programm etwa für die Bestellungen von Taxis oder Behördenfahrzeugen, die in einer Sonderfarbe oder mit einer speziellen Ausstattung versehen werden sollten und in einer gewissen Mindestanzahl geordert wurden. Der Clou daran war, dass diese kleinen Abweichungen vom regulären Modellprogramm nicht mit den höheren Management-Ebenen abgestimmt werden mussten, sondern nur die Zustimmung der zuständigen Entwicklungsingenieure erforderten.
Im Fall des Yenko Stinger wurde das COPO-System vermutlich zum ersten Mal genutzt, um eine Kleinserie von besonders sportlichen Fahrzeugen auf die Räder zu stellen. Als 1967 der Camaro auf den Markt kam, erkannte Don Yenko schnell das Potenzial des Mustang-Konkurrenten. Zusammen mit dem Drag Racer Dick Harrell entwickelte Yenko ein 427-ci-Upgrade-Paket, das den Camaro auf der Rundstrecke, dem Dragstrip und nicht zuletzt auch auf der Straße zu einem absoluten Kracher machte. Die Originalmotoren wurden durch einen 427-ci-L72-Triebwerk mit Vierfachvergaser und mechanischen Stößeln ersetzt, das werksseitig mit 425 PS angegeben wurde.
Während 1967 noch Dick Harrell die Motorumbauten an allen 54 in diesem Jahr fertiggestellten Yenko Camaros durchführte, fanden die Umbauten im nächsten Jahr direkt in Canonsburg statt. Ab jetzt verwendete Don Yenko ausschließlich SS 396 Camaros als Grundlage für seine Umbauten. Das hatte den Vorteil, dass die serienmäßigen Zylinderköpfe weiterverwendet werden konnten und Yenko nur noch die 427-ci-Short Blocks bestellen musste. Außerdem nutzte er erneut das COPO-System, indem er die Fahrzeuge mit dem sogenannten Sports Car Conversion Paket bestellte. Unter dem Code COPO 9737 wurden die Fahrzeuge ab Werk mit einem verbesserten Kühlsystem, einem 140-Meilen-Tacho, verstärkten Federn, einem dickeren Stabilisator und einem Sperrdifferenzial ausgerüstet.
Ein Geniestreich gelang Yenko zu Beginn des Modelljahres 1969: Nach erfolgreichen Verhandlungen wurde, unter Umgehung des immer noch geltenden Hubraumlimits, das Ordermuster COPO 9561 genehmigt. Das bedeutete nichts anderes, als dass Chevrolet die Camaros jetzt fix und fertig mit einem 427-ci-L72-Triebwerk unter der – ebenfalls im Paket enthaltenen – ZL2-Cowl-Induction-Haube an Yenko lieferte. Alles, was die Yenko-Mitarbeiter zu tun hatten, war, die „Kriegsbemalung“ auf der Karosserie und die Lettern sYc – für „Yenko Super Car“ – auf den Kopfstützen anzubringen. Professionelle Rennfahrer schafften mit Yenko Camaros auf Slicks die Viertelmeile in unter zwölf Sekunden. Ein spektakulärer Wert, insbesondere wenn man berücksichtigt, dass die 1969er Yenko Camaros über eine volle Werksgarantie verfügten.
Im Gegensatz zum COPO 9560, dem legendären Camaro ZL1, der parallel von Fred Gibb angestoßen wurde und den Preis des Basisfahrzeuges mehr als verdoppelte, kostete der Yenko Camaro in etwa das gleiche wie ein entsprechend ausgestatteter Camaro SS 396. Dementsprechend groß war zunächst die Nachfrage. Allerdings flaute diese ab, sobald die Versicherer begriffen hatten, was hier vorging und sich weigerten, Policen für Yenko Camaros auszustellen. Insgesamt 201 Camaro Yenko/SC wurden 1969 ausgeliefert.
Von der spannenden Historie und vor allem der überragenden Power der Yenko Camaros war auch Christian Nadler sofort überzeugt, als er im September 2015 im Gespräch mit Andreas Schäfer und Florian Braun von Schaebra Customs in Bornheim zum ersten Mal davon hörte. Von diesem Zeitpunkt an dauerte es gerade einmal ein halbes Jahr, bis er ein entsprechendes Fahrzeug, das gerade aus den Staaten eingetroffen war, bei einem Händler in den Niederlanden entdeckte. Das gelbe Coupe war nicht mehr mit dem originalen Antriebsstrang versehen, sondern mit einem jüngeren 454-ci-Chevrolet Big Block sowie einem 700R4-Automatikgetriebe. Vermutlich liegt dieser Umbau bereits längere Zeit zurück und wurde durchgeführt, als der Sammlerwert noch weniger im Vordergrund stand als die Performance.
„Wahrscheinlich wurde der Motor einfach deshalb ausgetauscht, weil das neue Triebwerk noch mehr Power bot“, vermutet Christian. Nach dem Kauf waren neben den üblichen Umrüstungen für die TÜV-Abnahme auch noch einige Schweißarbeiten nötig. Seit Fertigstellung der Teilrestaurierung hegt und pflegt Christian den Power-Camaro ausgiebig: „Reparaturen und Wartung überlasse ich den Profis von Schaebra Customs. Ich putze ihn nur. Wenn die Jungs daran arbeiten, lerne ich aber gern etwas dazu.“ Auch bei seinen Ausfahrten achtet er darauf, dass der gute Zustand seines Schmuckstücks erhalten bleibt und dass es den gebotenen Auslauf bekommt: „Nur bei schönem Wetter, wenn ich weiß, es kommt kein Tropfen vom Himmel, dann gehe ich mit dem Yenko auf Tour. Zwischendurch wird natürlich auch mal ordentlich Gas gegeben, denn was bringt ein V8, wenn man nur auf die Tankanzeige achtet?“
Text & Fotos: Frank Mundus
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