Crazy Bird – „Beep-Beep“-Traumwagen
Mopar mit Vinyldach und Big-Block-Power
Mächtig glitzert das „In Violet Metallic“ von Plymouth in der Sonne, wobei viele diese Farbe als „Plum Crazy“ von Dodge kennen – der Farbcode ist der gleiche. Dazu ein weißes Vinyl-Interieur und ein weißes Dach: Wer den Road Runner von Tommy Bußfeld übersieht, dem ist wohl das Benzin in den Adern abhandengekommen. Und einen 440-ci-Big Block gibt es noch dazu.

Tommy aus Dorsten erinnert sich noch genau an eines der ersten US-Car-Treffen, das er besuchte: „Damals habe ich exakt so einen Wagen gesehen: diese Farbe, diese Innenausstattung und ein 1970er Modelljahr.“ Seitdem stand fest, welches US-Car er zum Traumwagen küren und nach welchem Modell er sehr lange auf diversen Anzeigenseiten suchen sollte. Als sich tatsächlich die Gelegenheit auftat, fiel es dem 44-jährigen Vermögensberater nicht schwer, seinen 1965er Thunderbird für das Mopar-Coupe zu verkaufen. Doch die Verhandlungen zogen sich in die Länge, bis der Preis schließlich akzeptabel war und der Dorstener den von einem Händler aus den USA importierten Plymouth übernehmen konnte.

Das 1970er Modell aus dem Werk St. Louis, Missouri befand sich weitgehend im Originalzustand; der Lack war in Vorbesitzerhand erneuert worden, und die originalen 14-Zöller hatte man gegen Plymouth-Stahlräder in 15 Zoll getauscht. Außerdem hatte sich ein Vorbesitzer entschieden, den laut Fahrgestellnummer originalen 383-ci-V8 mit 335 PS zu ersetzen. Allerdings nicht durch den 1970 gegen Aufpreis erhältlichen 426-ci-Street Hemi mit 425 PS oder den 440-ci-Motor mit „Six Pack“-Vergaseranlage und 390 Pferdestärken. Stattdessen wurde der für den Road Runner nicht angebotene „Super Commando“-V8 mit 7,2 Litern Hubraum, Vierfachvergaser und 375 PS eingebaut.

Das 1970er Road-Runner-Modell, das zur Indermediate-Reihe Belvedere/Satellite gehört, hatte für den neuen Jahrgang ein umfassendes Facelift mit neuem Grill, der die Doppelleuchten komplett einfasste, sowie neuer Haube, Kotflügeln und Seitenwänden samt veränderter Heckpartie bekommen: „Mir gefällt dieses Heck mit den waagrechten geteilten Rückleuchten am besten“, bekräftigt Tommy. Zur Road-Runner-Ausstattung gehören die Stoßstangenhörner vorn, die „Performance Hood“ mit Powerdome und lackierten Streifen sowie die nun auf den Kotflügeln postierten „Road Runner“-Decals. Die folgende Staubspur in Gold („Dust trail“) kostete Aufpreis, passt aber perfekt zu dem extrovertierten Auftritt in Violett nebst weißem Vinyl-Dach. Es gab 1970 übrigens auch ein konventionelles Coupe mit festen B-Säulen und ein Cabrio sowie den extremen Superbird, aber der Hardtop-Zweitürer verkaufte sich am besten.
Sonderfarbe „In Violet Metallic“ – auch der goldene
„Dust Trail“-Streifen ist ein richtiger Hingucker.

Ein absolut cooles Gimmick ist natürlich die „Beep-Beep“-Hupe, die Chrysler schon dem allerersten Road Runner 1968 mitgab. Ein Vertrag mit den Warner Brothers ermöglichte die Nutzung der von Chuck Jones kreierten Zeichentrickfigur, die prompt in Werbeanzeigen und TV-Spots für den preisgünstigen Road Runner auftauchte; ein nicht flugfähiger Vogel, aber sehr schnell und stets (erfolglos) gejagt von Wile E. Coyote. Die Entwicklung der Hupe war nicht billig und wurde von der Firma Spartan, einem Hersteller elektronischer Komponenten, im Auftrag von Chrysler übernommen. Man tüftelte den Klang auf Basis einer alten Militär-Autohupe aus. Weil die Zeit bis zur Markteinführung knapp wurde, sind die Hupen der 1968er Modelle schwarz lackiert. Erst 1969 kamen die violette Farbe und ein passender Aufkleber hinzu.

Für Tommys Sohn Jonas ist es das Größte, wenn ihn sein Vater mit dem Road Runner von der Schule abholt. Keine Fahrt der beiden vergeht, ohne dass die lustige Hupe betätigt wird. Der Innenraum ist komplett original; lediglich den Teppichboden und einige Schalter hat Heiko Pollender von der HP-Manufaktur in Dorsten ersetzt. Die „Rallye Instrumentation“ und der 150-mph-Tacho sind beim Road Runner serienmäßig, die Bucket Seats kosteten in Verbindung mit Vinylausstattung 100 Dollar Aufpreis. Der Erstbesitzer hatte auch die „TorqueFlite“-Automatik dem Schaltgetriebe vorgezogen.


Die HP-Manufaktur kümmerte sich auch um die Technik des Zweitürers. Eine Revision des 440-ci-V8 brachte neben überholten Zylinderköpfen eine elektronische Paxton-Zündung, einen 800er Edelbrock-Vergaser, Fächerkrümmer von TTI und einen neuen Wasserkühler: Damit alle kommenden Ausfahrten in Tommys Traumwagen auch sorgenfrei erfolgen können – vom Spaßfaktor aus Big-Block-Sound, greller Optik und Seventies-Feeling ganz zu schweigen. Beep-Beep!
Text: Gerald Sandrieser
Fotos: Frank Mundus
1970er Plymouth Road Runner Hardtop Coupe
Motor: OHV-V8, 440 ci, 7.210 ccm, 375 PS bei 4.400 U/min; Bohrung x Hub in mm 109,7 x95,3; Verdichtung 9,7 : 1; elektronische Paxton-Zündung, Edelbrock-800-„AVS 2“-Vergaser, Alu-Wasserkühler, Mopar-Performance-Ventildeckel, TTI-Fächerkrümmer, Repro-Doppelrohr-Auspuffanlage mit Flowmaster-Schalldämpfern und Endrohren in Originaloptik
Kraftübertragung: Dreistufen-Automatikgetriebe „TorqueFlite“ (727),Lenkradschaltung, Hinterradantrieb
Vorderachse: Einzelradaufhängung an doppelten Querlenkern, Torsionsfederstäbe (HD Suspension), Sportstoßdämpfer
Hinterachse: Starrachse, Blattfedern (HD Suspension), Sportstoßdämpfer
Bremsen: Trommelbremsen vorn/hinten
Räder: Plymouth-Stahlräder „Rallye Wheels“ in 7 x 15″
Reifen: BF Goodrich „Radial T/A“ in 225/70 R15
Interieur: originale Vinyl-Innenausstattung
Produzierte Stückzahl (1970): 24.944 Road Runner HT Coupe
Preis (1970): ab 3.034 Dollar
Auch interessant: 1969er Plymouth Road Runner oder 1970er Chevrolet Blazer Cabrio