Hirohatas „Holy Grail“ der Custom-Scene

Hirohatas

Mehrfacher Pokalgewinner, auf den Covern zahlreicher Magazine der Welt, ein „who is who“ der Scenestars, ein ungelöster Todesfall, vermisst und wiedergeboren. Was sich liest wie die Zutaten eines klassischen Hollywoodstreifens ist in diesem Fall die Geschichte eines Autos. Ja, okay. Nicht irgendeines Autos, sondern die Geschichte von und mit einem der berühmtesten Custom Cars der Welt, oder auch des „Holy Grail“ der Scene, wie manche sagen würden.

Hirotara
Die Verwandlung eines Coupes zum Hardtop hatten die Barris-Brüder zuvor schon am 1940er Mercury von Nick Matranga vollzogen.

Es muss irgendwann einfach nur jemanden geben, der es versucht. So könnte der Tital der Geschichte um den berühmten „Hirohata Merc“ auch lauten. Denn als Bob Hirohata, Besitzer, heutiger Namensspender und Auftraggeber für den Lead Sled, den Custom Shop der Barris Brüder betrat, gab es so ein Fahrzeug noch nicht, beziehungsweise. Diese Art von Modifikation an einem 1949er – 1951er Mercury.

Hirohata - 1951er Mercury Sport Coupe
Die seitlichen Zierleisten stammen von einem Buick, die dahinter liegenden Scoops leiten Luft zu den hinteren Trommelbremsen.

Bob hatte zu dem Zeitpunkt schon einiges hinter sich: Zuerst war er nach Pearl Harbor mit seiner Familie als japanischstämmiger Kalifornier in ein Internierungslager in Wyoming gesperrt worden, dann selbst in die Navy eingetreten und Mitglied einer Spezialeinheit, der er bis 1952 angehörte. Anschließend stieg er erfolgreich ins Versicherungsgewerbe ein. Die Firma „Barris Brothers Customs“ war ihm bereits ein Begriff, hatte er doch von ihnen schon seinen 1949er Chevrolet modifizieren lassen. Aber nun sollte es ein radikaler Custom werden. Etwas Einmaliges. Er kannte den 1949er Mercury, den Sam Barris für sich selbst baute und war auch begeistert von den Linien des 1940er Mercury den die Bürder für Nick Matranga umgebaut hatten. Genau so eine Kombination schwebte ihm für sein frisch erworbenes 1951er Mercury Coupe vor. Cleane Seitenlinen, ein radikales Top Chop, aber das Ganze als Hardtop! Etwas noch nie Dagewesenes. Da er den Brüdern weitestgehend freie Hand ließ, machten sie sich ans Werk zu diesem Urknall, der eine ganze Reihe von Leadsleds dieser Bauart nach sich zog.

Hirotara
15″-Stahlräder mit 1949er Cadillac Radkappen.

Die Barris-Brüder waren zu dieser Zeit schon in der Scene bekannt, wurden sie doch bei der allerersten Hot Rod Show von Robert ‚Pete‘ Petersen als einzige eingeladen, ein Custom Car vorzustellen und einer größeren Öffentlichkeit zu zeigen. Sam übernahm mit seinem unglaublichen Talent für Metallbearbeitung dabei den Part der Karosseriemodifikationen, die sein Bruder George mit seinem Gespür für Design erdachte. Eine perfekte Kombination. Zumal George Barris auch damals schon der überragende Promoter war. Zusammen mit Frank Sonzogni gaben sie dem Mercury die so berühmten Linien und schufen Trends, die auch heute noch angesagt sind, wie zum Beispiel das „Tunneln“, oder auch „Frenching“ genannte, Versenken der Frontscheinwerfer in die Kotflügel hinein. In 100 Tagen – so die Sage – wurde dieser berühmte Wagen auf die Räder gestellt, wobei sagenhafte 3.500 Dollar in den Umbau geflossen waren. Eine damals unvorstellbar hohe Summe, denn dafür bekam man locker neue Autos. Doch gehen wir weiter chronologisch vor.

Ein weiterer, heute weltbekannter Name trat auf die Bühne, um die Inneneinrichtung zu übernehmen. Die Firma „Carson Top Shop“, ja, genau die Firma, die heute berühmt ist für ihre „Carson Tops“, die abnehmbaren Hardtops, übernahm die Gestaltung des Innenraums, mit seinem Grün-weißen „Tuck and Roll“ Design. Wobei die Knöpfe und Schalter in der, auch heute noch beliebten, Tropfenform von Bob Hirohata selbst entworfen und hergestellt wurden.

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Das Pinstriping wurde meisterhaft vom berühmten „von Dutch“ hinzugefügt. Dies jedoch erst nach seiner Premiere auf der „1952er Petersen International Motorama“, in der er souverän seinen ersten Pokal gewann. Mit seiner Lackierung in „Ice Green“ und Panels in „Organic Green“ stach er direkt aus der Masse der anderen Customs heraus, denn diese waren zu der Zeit eher in dunklen, gedeckten Farben.

Ein wahres Meisterwerk im Meisterwerk: Das Pinstriping auf dem Handschuhfachdeckel von „Von Dutch“.

Bob Hirohata nutzte den Wagen in der Folge sogar als Daily Driver, während er bei zahlreichen Shows immer mehr Pokale anhäufte. Historisch war dabei die berühmte „Kross Kountry in a Kustom“ Tour, bei der Bob von Los Angeles nach Indinalapolis auf eigener Achse zur „Indianapolis Custom Show“ 1953 fuhr. Eine Reise, die sogar von der Zeitschrift „Rod & Custom“  dokumentiert wurde. Schließlich galten so radikale Customs, wie der von Hirohata als „unfahrbar“ im Alltag. Das dem nicht so war, stellte er also eindrucksvoll unter Beweis. Hierfür wurde übrigens der bis dato verbaute, verchromte Mercury Flathead V8 gegen einen brandneuen 1953er Cadillac V8 Motor getauscht, was dem Wagen auch den damaligen Namen „Mercillac“ gab. Auch wenn dieser Name in heutiger Zeit quasi unbekannt ist.

Interior Hirohata Merc
Im Innenraum, der ursprünglich vom Carson Top Shop gestaltet wurde, dominiert klassisches „Tuck’n Roll“ Design.

In den folgenden Jahren wechselte Hirohata die Lackierung in ein Grün mit goldenem Metallflake namens „Golden Lime Mist“ und verchromte den Cadillac Motor, bevor er den Wagen an eine Filmgesellschaft verlieh, die ihn in Gold umlackierte und im Film „Running Wild“ mit Mamie van Doren einsetzte. Ab jetzt wurde die Geschichte  äußerst wechselhaft: Hirohata verkaufte den Wagen  an Robert Waldsmith, der mit dem Merc einen Unfall hatte, bei dem die Seite schwer beschädigt wurde. Robert ließ den Custom zwar reparieren, reichte ihn aber wenig später für die rückblickend geradezu lächerliche Summe von 200 Dollar an Doug Kinney (der übrigens bei Ed Roth als Lackierer arbeitetet) weiter, der ihn nach einer Weile für einen anderen Wagen in Zahlung gab.

Im Jahr 1959 ging der Wagen dann für 500 Dollar an Jim McNiel über, der ihn als 16-Jähriger auf dem Gelände eines kleinen lokalen Gebrauchtwagenhändlers entdeckte. Ob er den Hirohata Merc direkt erkannte, oder nur ein cooles High School Car haben wollte, ist bis heute nicht überliefert. Aber laut der Aussage von Jim erkannte der die „Barris“-Wappen auf dem Custom, weswegen er ihn 1964 auch nicht weiter verkaufte, sondern einlagerte um ihn „irgendwann später“ einmal zu restaurieren.

Hirohata - "Holy Grail" der Custom-Scene
Hier lohnt sogar ein Blick in den Kofferraum: Das Gepäckabteil wurde nach dem Vorbild das bei Gaylord’s Kustom Shop entstand, wiederhergestellt.

Hier geriet der Wagen dann in Vergessenheit und es entstanden viele Mythen und auch einige Clones, deren Besitzer angaben, es würde sich um das Original handeln. Bob Hirohata konnte zum Verbleib des Fahrzeugs nichts mehr beitragen, denn er wurde 1981 unter sehr mysteriösen Umständen auf offener Straße erschossen. Gemäß Polizeiberichten, soll es ausgesehen haben, wie eine Exekution.

Glücklicherweise gibt es auch in der Customscene „Gralsforscher“, die in unermüdlicher, detektivischer Kleinstarbeit verloren geglaubte Customschätze wieder aufspüren. In diesem Fall waren es Roger Honey und Jim Bailon, die eines Tages fassungslos vor der Garage von Jim McNeil standen und den berühmten Hirohata Mercury wiederentdeckten. Die geplante Restauration wurde bis dahin noch nicht durchgeführt in Ermangelung von Geld, denn McNeil wollte den Wagen unbedingt wieder in den Originalszustand zurückversetzen. Dies wiederum bekam Pat Ganahl, der Herausgeber vom „Rod & Custom“-Magazin, mit. Pat übernahm dann die Kosten und die Organsiation der Restauration.

Interessanterweise wurde der Wagen bei der Restauration von Junior Conway neu lackiert. Warum interessant? Nun, er kannte den Mercury ganz genau, denn er war zum Zeitpunkt dessen Aufbaus Lehrling bei Barris Customs. Quasi ein weiterer Kreis, der sich damit schloss. Die Geschichte des berühmtesten Kustoms und Leadsleds fand seine Fortsetzung mit Ausstellung in vielen Museen und Shows. Unter anderem wurde der „Hirohata Merc“ 2017 ins National Historic Vehicle Register aufgenommen und auf der National Mall in Washington D.C. ausgestellt.

Hirohata - "Holy Grail" der Custom-Scene
Kam erst später hinzu. Der verchromte 331-ci-Cadillac-V8 wurde für die berühmte „Kross Kountry Kustom“-Tour installiert.

2018 verstarb dann Jim im hohen Alter und seine Erben möchten sich nun von diesem Prachtstück trennen. Nach ersten entsprechenden Ankündigungen über Twitter und Instagram überschlugen sich diese Neuigkeiten und so wird diese Ikone nach 60 Jahren bei der Mecum Auktion in Kissimee, im Januar 2022 zur Versteigerung angeboten. Eine spannende Geschichte, die nun mit einer sicherlich spannenden Bieterschlacht auf seinen nächsten Höhepunkt zusteuert. Ob der bekannteste Custom der Welt auch der Teuerste jemals Gehandelte wird? Wenn der Hammer gefallen ist, berichten wir Euch im Chrom-O-Drom welche Summe das Auktionshaus Mecum für diesen legendären Lead Sled erzielt hat.

Text: Ralf Werth
Fotos: David Newhardt, courtesy of Mecum Auctions

 

Hirohatas 1951er Mercury Sport Coupe

Motor: 1953er Cadillac OHV-V8, 331 ci, 5.425 ccm, 210 PS (Serie), 447 Nm, Bohrung x Hub in mm: 96,8 x 92,1, Verdichtung 8,25:1, 3 x Stromberg „97“-Vergaser
Kraftübertragung: Mercury Dreigang-Schaltgetriebe mit Overdrive, Ford Kupllung, Hinterradantrieb, Achsübersetzung 4,11:1
Vorderachse: Einzelradaufhängung, gekürzte Schraubenfedern, Teleskopstoßdämpfer
Hinterachse: Starrachse an Blattfedern, teleskopstoßdämpfer, Loweing Blocks
Bremsen: Trommelbremsen rundum
Räder: 15″-Stahlräder mit 1949er Cadillac Radkappen
Reifen: Goodyear „Super Cushion DeLuxe“ Weißwandreifen in 7,10 – 15

Auch interessant: 1951er Mercury Sport Sedan

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