Feature / Mustang Shelby GT350
2015 kehrt der Shelby GT350 zurück. Wird er seinem Vorbild gerecht?
In der Geschichte des Ford Mustang mangelt es nicht an schnellen und PS-starken Ausführungen, die von den Fans verehrt und teuer bezahlt werden. Zu den gesuchtesten zählt der 1965er Shelby GT350, denn er nimmt eine ganz besondere Stellung ein. Zum einen war es die erste in Serie (um)gebaute Hochleistungsvariante des Mustang. Zum anderen wurde kaum eine Mustang-Spezialausführung derart gründlich umgekrempelt wie die frühen Shelby GT350. Auf der L.A. Autoshow 2014 stellte Ford eine Neuauflage des GT350 auf Grundlage des Mustang VI vor, die mit unerwarteten technischen Leckerbissen glänzt. Wie steht also der moderne GT350 im Vergleich zum Ur-Shelby-Mustang da?

Im Modelljahr 1970 bot Ford zuletzt einen Mustang Shelby GT350 an. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich das Modell von der reinen Lehre des 1965er Shelby allerdings längst weit entfernt. Eine Vielzahl von Komfort-Extras war lieferbar und sogar eine verwindungsfreudige offene Ausführung stand im Modellprogramm. Neben dem Big-Block-GT500 spielte der GT350 mit seiner 5,7-Liter-Maschine damals ohnehin nur noch die zweite Geige.
GT350
Ganz klar also, dass der kommende GT350 den Bezug zu jenem magischen ersten Modelljahr herstellen soll, in dem Carroll Shelby aus dem Alltagsauto Ford Mustang eine messerscharfe Fahrmaschine konstruierte. Dementsprechend ist in dem neuen Shelby-Modell auch kein Ersatz für den Shelby GT500 zu sehen, der nach dem 2014er-Modelljahr ausläuft. Die bärige Kompressorausführung bekommt im Laufe des kommenden Jahres einen eigenen Nachfolger, der GT350 ist eher als Ablösung des BOSS 302 zu verstehen.
Die Auferstehung der klingenden Shelby-Modellbezeichnung dürfte verkauftstaktische Gründe haben. Shelby erteilt lediglich die Lizenz zur Verwendung des Namens, entwickelt wurde der GT 350 von Ford selbst. Damit steht bereits der erste Unterschied zwischen Urmodell und Neuauflage fest. Beim 2015 erscheinenden Modell handelt es sich um keinen Shelby im engeren Sinne. Das ist allerdings kein wirklicher Nachteil, denn das Gleiche gilt auch für die Shelby-GT500-Modelle der letzten Jahre, die allesamt aus den Entwicklungsbüros von Fords Special Vehicle Team stammen.
Motor und Antrieb
Die Änderungen gegenüber dem stärksten Serienmodell beschränkten sich beim 1965er Shelby auf einige Bolt-On-Maßnahmen, die dem 289ci-Aggregat zu einem Leistungssprung von 271 auf 306 PS verhalfen. Beim neuen Modell ging Ford gründlicher an die Sache heran und entwarf ein eigenes 5,2-l-Triebwerk. Dieses unterscheidet sich nicht nur durch den um 200 ccm größeren Hubraum vom GT-Motor: Im GT350 rotiert eine Kurbelwelle mit 180 Grad Kröpfung, im Gegensatz zu den sonst in V8-Motoren üblichen Wellen mit 90 Grad Hubzapfenversatz. Der Vorteil dieser Konfiguration liegt darin, dass immer abwechselnd auf der rechten und linken Zylinderbank gezündet wird. Mit einer 90-Grad Welle kommt es innerhalb von zwei Kurbelwellenumdrehungen dazu, dass zwei linke und zwei rechte Zylinder aufeinanderfolgend gezündet werden.
Deshalb fließen die Ansaug- und Abgasströme eines Motors mit 180-Grad- oder Flat-Plane-Kurbelwelle gleichmäßiger, was eine bessere Zylinderfüllung und schließlich mehr Leistung ermöglicht. Ein weiterer Pluspunkt liegt darin, dass die Kurbelwelle kleinere oder sogar überhaupt keine Gegengewichte benötigt, dadurch zackiger hochdreht und generell höhere Drehzahlen erlaubt.
In Sachen Motor
Allerdings hat dieses Konstruktionsprinzip auch einen Nachteil: Der Motor erzeugt stärkere Vibrationen, weshalb Flat-Crank Motoren nicht sonderlich verbreitet sind und nur als reine Renn- und Sportmotoren eingesetzt werden. Ob im GT 350 Ausgleichswellen verbaut werden, die das Schütteln minimieren, konnten wir noch nicht herausfinden. Ebenso gibt Ford für Leistung und Drehmoment nur vorläufige Werte an. Mehr als 500 PS, also deutlich jenseits der 435 PS des Mustang GT, und über als 540 Nm werden in Aussicht gestellt. Für einen Saugmotor dieser Größe eine mehr als beachtliche Ausbeute.
In Sachen Motor ist der Neue daher mindestens als genauso kernig einzustufen wie der Alte. Auch beim Getriebe zeigt der Newcomer keine Anzeichen von Verweichlichung. Vorgesehen ist wie 1965 ausschließlich ein Schaltgetriebe. Dass dieses heutzutage sechs statt vier Vorwärtsgänge bereithält ist sicher kein Nachteil. Mit seinem drehmomentsensitiven Torsen-Sperrdiff ist der moderne GT350 bestens gerüstet, um die Leistung des V8 auf den Asphalt zu bringen. Auch wenn die Sperre nicht so brutal zupackt wie die berüchtigte Detroit-Locker-Achse des 1965er Modells mit ihren notorisch ratternden Sperrklinken.
Aufhängung, Lenkung und Bremsen
Carroll Shelby griff in den 60ern ganz schön tief in die Trickkiste, um den Fastback Mustang in einen echten Sportwagen zu verwandeln. An der Vorderachse verlegte er die Befestigungspunkte der oberen Querlenker. Außerdem montierte er einen kräftigen Stabi, dazu Koni-Dämpfer rundum und fette Goodyear Pellen, die in der Standardausstattung auf nackten Stahlfelgen aufgezogen waren. An der Hinterachse wurden Längslenker montiert, für die Löcher in die hinteren Fußräume geschnitten werden mussten. Die Streben wurden an einem nachträglich eingeschweißten Ankerpunkt im Innenraum verschraubt. Um die Insassen vor Abgasen zu schützen schließlich mit einer Gummimanschette sowie einer Fiberglasbox abgedeckt.
Zu solch rustikalen – wenn auch effektiven – Methoden muss Ford heute nicht mehr greifen, vielmehr bekommt der Retro GT350 ein echtes High-Tech-Fahrwerk. Als erstes Ford-Modell wird er mit Magna-Ride-Dämpfern ausgerüstet, wie sie unter anderem aus verschiedenen GM -Fahrzeugen bekannt sind. Beim Manga Ride System sind die Stoßdämpfer mit eine speziellen Flüssigkeit gefüllt, die magnetische Partikel enthält. Wenn man an diese Flüssigkeit unterschiedliche Spannungen anlegt, verändert sich deren Fließfähigkeit und somit das Dämpfungsverhalten. Mithilfe von Sensoren überprüft ein Computer die Radbewegungen und justiert die Dämpfer alle 10 Millisekunden nach.
Sicher auf der Fahrbahn
Damit dürften die für den GT350 maßgeschneiderten Michelin-Pilot-Super-Sport-Reifen, die auf Leichtmetallrädern der Größen 10,5 x 19 Zoll vorn und 11 x19 Zoll hinten aufgezogenen sind, sicher auf der Fahrbahn bleiben. Damit der neue Shelby ebenso souverän zum Stillstand kommt, verbaut Ford Scheibenbremsen mit Festsätteln vorn und hinten. Die Bremssscheiben haben vorn einen Durchmesser von 394 Millimetern und werden von Brembo-Sechskolbensätteln umklammert, hinten beträgt der Durchmesser 380 Millimeter und es kommen Vierkolben-Bremszangen zum Einsatz. Damit handelt es sich um die größte je im Ford-Konzern in einem Personenwagen serienmäßig montierte Bremsanlage.
Auch beim historischen Shelby GT 350 wurde die Bremsanlage aufgerüstet. Im Vergleich erscheinen die Maßnahmen aber eher bescheiden. Serienmäßig hatte der 1965er GT350 Scheibenbremsen vorn, wie sie für den normale Mustang als Option zu haben waren. Shelby tauschte allerdings die Standardbelaäge gegen härtere Sintermetallklötze. Hinten wurden die Bremstrommeln gegen breitere Pendants ersetzt, die ursprünglich für den schweren Fairlane Station Wagon gedacht waren. Auch hier kamen spezielle Beläge zum Einsatz, die mit Schlitzen zur Hitzeabfuhr versehen waren. Eine Servounterstützung für die Bremsen gab es, ebenso wie für die Lenkung mit verkürzter Übersetzung, nicht.
Karosserie und Innenraum
Äußerlich fällt die Lackierung mit den breiten Doppelstreifen als Gemeinsamkeit zwischen dem neuestem GT350 und seinem Urahn auf. Ebenso gehen bei beiden die Modifikationen gegenüber dem Grundmodell tiefer als man auf den ersten Blick annehmen mag. So bestand die Motorhaube des 65er Shelby aus Fiberglas. Die Batterie hatte man zwescks bessererer Gewichtsverteilung in den Kofferraum verlegt.
Beim 2015 auf dem Markt kommenden Modell wurde der gesamte Vorderwagen überarbeitet. Die Kotflügel fallen breiter aus, um den größeren Rädern Platz zu bieten außerdem gestaltete Ford die Motorhaube mit integriertem Lufteinlass steiler und positionierte sie näher am Motor . Gegenüber dem Mustang GT soll die Frontpartie des Shelby GT350 bis zu zwei Zoll niedriger liegen. Zur Verstärkung der Frontpartie wurde die Einfassung des Kühlergrills außerdem aus einem karbonverstärkten Spritzguss-Kunststoff entwickelt.
Zweckmäßiges Interieur
Dass Ford beim neuen GT350 kaum so weit gehen würde wie einst Carroll Shelby, der die hinteren Sitze komplett entfernte, eine GFK-Verkleidung einzog und das Reserverad hinter Fahrer- und Beifahrersitz anordnete, war zu erwarten. Dennoch ist der Innenraum des Neuen äußerst Zweckmäßig eingerichtet: Die schlanken Recaro-Halbschalen sollen laut Ford gleichermaßen Halt auf der Rennstrecke und Komfort im Alltag bieten.
Oberhalb der Mittelkonsole wich eine der Lüftungsdüsen zwei analogen Zusatzinstrumenten. Die zahlreichen Alu-Applikationen des Mustang-Innenraums sind beim GT350 in Schwarz gehalten, um zu vermeiden dass der Fahrer durch Reflektionen geblendet wird. Weil der moderne GT350 selbstverständlich eine Servolenkung besitzt, wird in diesen auch kein großformatiges Holzlenkrad eingebaut wie in das Original von 1965. Vielmehr kommt ein kompaktes Steuerrad zum Einsatz, mit einem in Alcantara und Glattleder gehüllten Kranz, der an der Unterseite abgeflacht ist. Geblieben ist das berühmte Cobra-Logo in der Lenkradmitte.
Ford hat noch kein offizielles Datum bekanntgegeben, an dem der Verkauf beginnt. Wir gehen davon aus, dass der GT350 Mitte 2015 als 2016er-Modell auf den Markt kommen wird.
Text: Frank Mundus
Fotos: The Ford Motor Company
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2015/2016er Ford Mustang Shelby GT350
Motor: DOHC V8, circa 5.200 ccm, 500+ PS (vorläufige Angabe), 540 Nm (Vorläufige Angabe), Flat-Plane-Kurbelwelle
Kraftübertragung: Sechsgang-Schaltgetriebe, Heckantrieb, Torsen-Sperrdifferenzial
Vorderachse: Einzelradaufhängung an Mc Pherson-Federbeinen, magnetisch-rheologische Stoßdämpfer (Magna-Ride), Querstabilisator
Hinterachse: Einzelradaufhängung an Mehrlenker-Konstruktion, Schraubenfedern, Teleskopstoßdämpfer, magnetisch-rheologische Stoßdämpfer (Magna-Ride), Querstabilisator
Bremsen: Innenbelüfete Scheibenbremsen mit Festsätteln rundum, 394-mm-Scheiben und Brembo-Sechskolben-Bremszangen vorn / 380-mm-Scheiben und Vierkolben-Bremszangen hinten
Räder: Leichtmetallräder in 10,5 x 19″ vorn und 11 x 19″ hinten
Reifen: Michelin „Pilot Super Sport“mit spezieller Mischung, Flankenkonstruktion und speziellem Profil
Dieses Feature stammt aus Ausgabe 02/2015, die hier nachbestellt werden kann.